Schilddrüsenunterfunktion beim Hund-
welchen Einfluss hat die Rasse?
MVDr. Lucia
Panakova, Tierärztliche Klinik in Birkenfeld
Teil
1. Schilddrüse:
Die Schilddrüse
gehört zu den endokrinen Organen, die bei den Säugetieren und
ebenfalls bei dem Menschen etliche metabolische Funktionen erfüllt. Sie
besteht aus zwei Lappen, welche beim Hund etwa in der Mitte des Halses,
beidseitig der Luftröhre, in unmittelbarer Nähe von wichtigen Nerven
und Gefäßen liegen. Die Schilddrüse produziert zwei wichtige Hormone
– zwei aktive Substanzen: Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3). Diese
Hormone werden in einer an Protein gebundenen Form (ca. 99%) sowie in
einer freien Form (ca. 1% fT4, fT3) ins Blut freigesetzt. Die freie Form
des Hormons ist die aktive, wobei die gebundene als Reserve vom Körper
vorbereitet wird. Freies Thyroxin (fT4) und freies Triodthyronin (fT3)
sind aktive Hormone, die also in der Schilddrüse produziert werden.
Dabei ist Thyroxin (T4) eine metabolisch weniger aktive Form des
Schilddrüsenhormons, die aber zu 80% in der Peripherie (Leber,
Niere…) ein Molekül von Iod verliert und in eine aktivere Form –
Triiodthyronin (T3) übergeht. Die Produktion der Schilddrüsenhormone
wird allerdings von noch höheren Instanzen geregelt. Die Hirnanhangsdrüse
(Hypophyse) ist unter anderen für die Produktion des Thyrotropins (TSH)
zuständig, welches wiederum direkten positiven Effekt auf die
Produktion und Freisetzung des Thyroxins (T4) und Triiodthyronins (T3)
hat. Produktion und Freisetzung des Thyrotropins (TSH) sind wiederum von
der Produktion des im Hypothalamus erzeugten TRHs (Thyroxin Releasing
Hormon) abhängig. Sie sehen, ein kompliziert aufeinander abgestimmtes
System von Beeinflussung und Produktion, Freisetzung und Umsetzung.
Die Schilddrüsenhormone sind an zahlreichen Stoffwechselprozessen
beteiligt, beeinflussen die Konzentrationen und Aktivitäten
unterschiedlicher Enzyme als auch den Metabolismus diverser Substrate,
Mineralien und Vitamine. Schilddrüsenhormone haben Einfluss auf
Hormone, auf deren Produktion, Sekretion und ihre Wirkung. Thyroxin ist
weiterhin für die Entwicklung von Feten sehr wichtig. Zusätzlich
spielen sie eine bedeutungsvolle Aufgabe in der Kalorienerzeugung, im
Lipid-, Protein- und Kohlenhydratstoffwechsel.
Eine pathologisch erniedrigte oder erhöhte Konzentration sind auf Dauer
für den Organismus schädlich.
Die Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) ist eine häufige
endokrine Erkrankung bei Hunden, bei
welcher es zu einer verminderten Thyroxinausschüttung kommt. Die
häufigste Ursache der Schilddrüsenunterfunktion ist eine
immunvermittelte Entzündung, gleich danach komm häufig eine Atrophie
(Verkleinerung) der Schilddrüse vor. Dagegen ist eine sekundäre
Hypothyreose mit einer in der Hirnanhagsdrüse reduzierten TSH
Produktion sehr selten. Selten können auch tumoröse Prozesse vor allem
bei älteren Tieren das Schilddrüsengewebe befallen und bei manchen
Tiere eine reduzierte Thyroxinproduktion verursachen. Wie bereits erwähnt,
beeinflusst Thyroxin viele
Stoffwechselvorgänge, und somit kann die vielfältige Symptomatik einer
Hypothyreose erklärt werden. Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion
zeigen häufig Müdigkeit, Leistungsschwäche, Gewichtszunahme bei
normaler Futteraufnahme, Kälteintoleranz und Aufsuchen von wärmen Plätzen.
Zu den typischen Hautsymptomen gehören beidseitig symmetrischer
Haarausfall, rezidivierende und tiefe bakterielle Hautinfektionen,
vermehrte Schuppenbildung (trockene oder fettige Schuppen), oder
tragischer Gesichtsausdruck, der das Resultat von Muzineinlagerungen in
der Haut ist. Manche Patienten zeigen einen langsameren Herzschlag
(Bradykardie) und Herzarrhythmien, wechselnde unklare Lahmheiten,
periphere Nervenlähmungen, oder sogar Epilepsie können Symptome einer
Hypothyreose sein. Bei den Hündinnen kann es zu unregelmäßigen Läufigkeiten
kommen, wobei eine reduzierte Libido beim Rüden zu den eher
umstrittenen Symptomen dieser Erkrankung gehört. Manche Hunde können
Lipidablagerungen in der Hornhaut bilden. Bei den Laboruntersuchungen können
erhöhte Triglyceride, erhöhter Cholesterol und seltener eine nicht
regenerative milde Anämie auffallen.
Die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion wird aufgrund der
typischen Vorgeschichte des Hundes, der klinischen Untersuchungen, der
Laborergebnisse, der Funktionstests der Schilddrüse und nach dem
Ausschluss einer nicht thyroidalen Erkrankung gestellt (andere
schwerwiegende Erkrankungen z.B. Nierenversagen, Diabetes mellitus,
Herzernkankungen, können nämlich ebenfalls zu erniedrigten
Basalkonzentrationen von T4 führen). Bei der Diagnose einer
Hypothyreose kann nach neusten Kenntnissen auch eine
Ultraschalluntersuchung der
Schilddrüse hilfreich sein.
Die Basalkonzentrationen der Schilddrüsenhormone können durch viele
Faktoren, wie verschiedene Medikamente, nicht thyroidale Erkrankungen,
Wettrennen und Training, Körpergröße und Alter des Hundes beeinflusst
werden. Die Thyroxinkonzentration variiert ebenfalls mit der Rasse. Bei
den Greyhounds und Whippets wurde von einer erniedrigten
Gesamtthyroxinkonzentration im Serum im Vergleich zu
Nicht-Windhunden berichtet. Bei den Greyhounds wurde im Vergleich
mit anderen Rassen auch ein unterschiedliches Ansprechen auf die
Stimmulation mit Thyrotropin (TSH) festgestellt. In der Praxis wird eine
so genannte therapeutische Diagnostik nicht selten durchgeführt. Bei
dieser wird bei einem erniedrigten Thyroxin(T4)-Wert und einer passenden
klinischen Symptomatik eine Versuchstherapie mit L-Thyroxin durchgeführt.
Dieser Schritt wird nach neusten Erkenntnissen als kontrovers angesehen,
da manche nicht-thyroidale Erkrankungen eine Besserung auf diese
Therapie zeigen können. So kann es passieren, dass die eigentliche
Ursache der Erkrankung leider übersehen wird (zum Beispiel eine durch
die Herzerkrankung bedingte Müdigkeit kann kurzfristig besser werden),
oder es kann eine lebenslange unnotwendige und dann schädliche Therapie
der nicht existierenden Hypothyreose
folgen.
Teil
2.
Studie: Tests der Schilddrüsenunterfunktion beim Sloughi.
L.Panakova, H.Koch, S.Kolb und R.S. Mueller. Thyroid testing by Sloughi. In: Journal of Veterinary Internal Medicine
2008;22:1144-1148
Hintergrund:
Unser Interesse war es festzustellen, ob bei der Windhunderasse Sloughi
ebenfalls veränderte Werte der Schilddrüsenhormone im Vergleich mit
anderen Hunderassen vorkommen. Sollte sich unsere Annahme bestätigen,
dann war es in unserem Interesse, neue Referenzwerte für diese Hormone
zu vermitteln und eine unnotwendige und oftmals schädliche Therapie der
Schilddrüsenunterfunktion bei Hunden dieser Rasse, die physiologisch
erniedrigte Hormonwerte haben, zu vermeiden.
Die Studie verlief im Jahr 2007 in Deutschland und in der
Tschechischen Republik. Durch die Initiative der Zuchtstätte Ksar
Ghilane, im besonderen durch Frau Cora Nürnberger und Frau Isabell
Gasparini, die uns ihre Hunde zur Verfügung gestellt haben und uns
Kontakte zu anderen Sloughibesitzern und Züchtern vermittelten, konnte
die Studie überhaupt stattfinden. Wir bedanken uns hiermit herzlich bei
allen Besitzern und Züchtern, die uns sehr geholfen haben und ihre
eigene Hunde zu Verfügung gestellt haben! 51 Sloughis haben an der
Studie teilgenommen, davon waren 29 aus Deutschland.
Der Zweck dieser Studie war es, herauszufinden, ob sich die
Serumkonzentrationen von Gesamt-Thyroxin (tT4), freiem Thyroxin (fT4),
caninem Thyrotropin (TSH), und Autoantikörpern gegen Thyroglobulin
(TGAA) bei Sloughis von denen anderer Hunderassen unterscheiden und mit
Konzentrationen bei Greyhounds und Whippets vergleichbar sind.
Aufgrund der bereits bekannten, von denen bei Nicht-Windhunden
abweichenden Konzentrationen der Schilddrüsenhormone bei Greyhounds und
Whippets, war unsere Hypothese, dass die Konzentrationen der Schilddrüsenhormone
bei Sloughis niedriger als die von Nicht-Windhunden, aber vergleichbar
mit denen von Greyhounds sind. Es haben einundfünfzig gesunde,
durchschnittlich 4 Jahre (1-12 Jahre) alte Sloughis ohne klinische
Erkrankungen an der Studie teilgenommen. Es wurden Schilddrüsenprofile,
bestehend aus Gesamt-Thyroxin (tT4), freiem Thyroxin (fT4), freiem
Thyroxin nach Equilibrium Dialyse (fT4 after ED), caninem Thyroidea
Stimulierenden Hormon (cTSH), und Thyroglobulin Antikörpern, vollständige
Blutbilder mit Differentialblutbild und Serumbiochemie von Sloughis mit
denen von normalen Hunden verglichen. Bei 8 Sloughis von Frau Nürnberger
und Frau Gasparini wurden zusätzlich TSH Stimulationstests mit
rekombinantem humanem TSH (rhTSH) durchgeführt.
Folgende Ergebnisse wurden erhoben: Mit Chemiluminiszenz gemessene
Konzentrationen von tT4 und fT4, waren niedriger bei Sloughis, als bei
Kontrollen (1,13 ± 0,65µg/dL, verglichen mit 2,9 ± 0,8µg/dL,
p<0,001 und 11 ± 4,3 pmol/L verglichen mit 16,7 ± 5,2pmol/L,
p<0,001). Die Konzentrationen von fT4 nach ED und cTSH waren bei
Sloughis verglichen mit Kontrollen erhöht (41,3 ± 26,9 pmol/L
verglichen mit 20,98 ± 10,29 pmol/L, p<0,001 und 0,22 ± 0,15pmol/L
verglichen mit 0,15 ± 0,13 pmol/dL, p<0,0138). Die Konzentrationen
von T4 nach Stimulation mit TSH stiegen von 1,5µg/dL (0,2- 2,7µg/dl)
auf 2,7µg/dL (1,2- 4,7); ein normaler Anstieg des T4 nach TSH-Gabe wurde
nur bei drei der acht Hunde erreicht. Die Hämokonzentration lag bei
84,3% und Hypoglobulinämie bei 80,3%.
Die klinische Bedeutung dieser Studie ist, dass sich Tierärzte bei der
Evaluierung der Schilddrüsenunterfunktion von Sloughis, der
Unterschiede zwischen den Konzentrationen der Schilddrüsenhormone von
Sloughis und denen von Nicht-Windhunden bewusst sein sollten.
Die Autoren der Studie sind der Meinung, dass für die Diagnosestellung
einer Schilddrüsenunterfunktion beim Sloughi eventuell andere Methoden
als üblich eingesetzt werden sollten. Es sollte noch in weiteren
Studien überprüft werden, ob zum Beispiel eine ultrasonographische
Untersuchung der Schilddrüse bei dieser Hunderasse notwendige Daten gewähren
würde. Die Bestimmung des fT4 nach Equillibrium Dialyse ist leider in
Europa momentan eine schwer zugängliche Methode, allerdings wäre dies
die bevorzugte Untersuchungsmethode nach den jetzigen
Resultaten.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei der Zuchtstätte Ksar Ghilane, ohne
deren Engagement diese Studie nicht zustande gekommen wäre und hoffen,
dass viele Sloughi-Liebhaber und Züchter, vor allem aber die Hunde
davon profitieren werden.
MVDr. Lucia
Panakova
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